„Land der Integren – Burkina Faso“ – Buchvorstellung mit Autor Günther Lanier

Am Freitag, 27.4.2018, stellte Günther Lanier sein neu erschienenes Grundlagenwerk über Burkina Faso in der Aula von Schloss Hagerhof vor. Es heißt „Land der Integren. Burkina Fasos Geschichte, Politik und seine ewig fremden Frauen“ und gilt jetzt schon als Grundlagenwerk. Unsere Schülerinnen und Schüler verfolgten mit großem Interesse den Einblicken in die Geschichte und den Alltag unseres Partnerlandes.

Günther Lanier, Politökonom und Buchautor, ist Wiener, lebt und arbeitet aber seit 2002 in Ouagadougou für verschiedene Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit. Sein neues Buch ist ein umfassender Überblick über die Geschichte und die Politik Burkina Fasos mit einem kenntnisreichen Schlussteil, in dem die Frauen Burkina Fasos im Mittelpunkt stehen.

Lanier erzählte den interessierten Hagerhof-Schülern zunächst von der politischen Entwicklung Burkina Fasos. Die ca. 60 Ethnien lebten in der vorkolonialen Zeit ohne Grenzen und konzentriert nach innen. Oberhalb der Familienhäupter gab es in vielen Ethnien keine Mächtigen. Einige Handelswege von Karawanen führten nach Norden durch die Sahara. Dem Königreich der Mossi  gelang es, seine Bevölkerung weitgehend vor den europäischen Sklavenhändlern zu schützen. Auf der Berliner Konferenz 1885 wurde dann Afrika von den europäischen Mächten aufgeteilt und Landesgrenzen willkürlich festgelegt nach dem antiken Muster: Divide et impera! Das Gebiet des heutigen Burkina Faso geriet unter die Macht Frankreichs, das eine „Kopfsteuer“ einführte und damit auch die Geldwirtschaft auslöste, dort, wo man bisher nur Tauschhandel kannte. Die Bevölkerung sah sich gezwungen, etwas Selbst-Produziertes auf den Markt zu bringen, um Geld zu verdienen, so dass man die Steuer bezahlen konnte. Die Kolonialmacht beutete Land und Bevölkerung aus. Alles Geld floss Unternehmern in Paris zu.

Mit der Unabhängigkeit 1960 hieß das Land nun Obervolta, es änderte sich nicht viel, nur das Geld floss jetzt in die Taschen der einheimischen Statthalter Frankreichs. Die Revolution im August 1983 durch den Militär Thomas Sankara war dann eine wirkliche Umwälzung. Er stößt die Mächtigen von Frankreichs Gnaden vom Thron und setzt bis ins kleinste Dorf Revolutionskomitees ein. Politiker müssen auf ihre großen Autos verzichten, Männer müssen einkaufen gehen und Frauen werden deutlich ernster genommen. „Erstmals geht es um echte Entwicklung, nicht um Mehrung der Reichtümer der winzigen aus- und inländischen Eliten.“  Sankara setzt nicht auf herkömmliche „Entwicklungshilfe“ aus Europa. Er vertraut auf die Tatkraft der aufrechten Menschen seines Landes und nennt das Land nun „Burkina Faso“, d.h. Land der Integren, Land der aufrechten Menschen. Aus seinen Leuten (bè) werden stolze „Burkinabè“, die bis heute dieses revolutionäre Erbe hochhalten, auch wenn es politisch nach vier Jahren anders weiterging.

Sankara wird mit Hilfe der Franzosen von seinem Freund und Vertrauten Blaise Compaore umgebracht. Dieser Compaore regierte dann das Land 27 Jahre lang mit harter Hand und einem von den Europäern bevorzugten neoliberalen Wirtschaftssystem, von dem vor allen er selbst und seine Entourage profitierten, natürlich auf Kosten der eigenen Bevölkerung. Als sich Blaise Compaore 2014 die Macht durch eine weitere Verfassungsänderung auf Lebenszeit sichern will, wird er vom Volk verjagt. Besonders eindrucksvoll war der Marsch der Frauen, die zu Zehntausenden mit ihren großen Holz-Kochlöffeln durch die Straßen Ouagadougous ziehen. Nach einjähriger Übergangsregierung, zwischenzeitlichem Militärputsch 2015 durch die Präsidialgarde Compaores, können im November 2015 freie Wahlen über die Bühne gehen. Doch das Ergebnis straft alle Hoffnungen auf Wandel Lügen. Ein verstoßener ehemaliger Intimus  Compaores wird zum Staatspräsidenten gewählt: Roch Kaboré. Seitdem geht alles wieder seinen gewohnten Gang …

Vielleicht wäre ja eine Frau der bessere Staatspräsident, denn wenn Burkina bis heute überlebt hat, liegt das an seinen Frauen. Ihr Beitrag zur nationalen Ökonomie wird mit 70% angegeben. Drei Viertel der burkinischen Bevölkerung arbeitet in und ernährt sich von der Landwirtschaft. Familienchef ist allerdings immer der Mann. Wenn die Frau in der Familie ausfällt,  ist das fast immer existenzbedrohend. Wenn sich der Mann aus dem Staub macht, ist das leichter verkraftbar. Aber statt des Dankes bekommen die Frauen und Mädchen Burkinas sehr häufig Gewalt ab.

Hochzeiten mit minderjährigen Mädchen, Kinderschwangerschaften, Hexereivorwürfe, Hexenvertreibungen und die Genitalverstümmelung (bei drei Viertel der burkinischen Frauen) sind die Stichworte, die im Buch von Günther Lanier ausführlich behandelt werden.

Jürgen Berg, Leiter der AG Entwicklungspolitik

„Land der Integren. Burkina Fasos Geschichte, Politik und seine ewig fremden Frauen“ von Günther Lanier ist im Guernica-Verlag erschienen. Es kostet € 19,50 im Buchhandel und steht seit heute handsigniert in der Schulbibliothek.