Der Natur ein Stückchen näher – das landwirtschaftliche Praktikum

Konzentriert schneidet Ben die Stiele der großen Funkienblätter ab. Sorgfältig sortiert er sie in die Vase, die vor ihm auf dem Tisch steht. Das hat fast schon etwas Meditatives. Ben Schneider ist Schüler der achten Klasse am Hagerhof-Gymnasium und liebt die Arbeit bei Thomas Roscher, Florist und Blumenladeninhaber in Rottbitze. Kein Wunder: Den ganzen Tag ist Ben umgeben von außergewöhnlich hübschen und duftenden Pflanzen. Nicht, dass es im Laden nicht auch einmal hektisch zuginge. Schließlich bedient man allerlei Events wie Hochzeiten oder andere Festivitäten, aber Thomas Roscher nimmt sich die Zeit und zieht Qualität der Quantität vor, auch im Vertrieb. Schon längst hat er den Run auf die günstigen Blumen aus Holland drangegeben. Er kauft bewusst nur von regionalen Händlern. Dafür steht er morgens um drei Uhr auf, um auf den Kölner Großmarkt zu fahren. Dort kauft man Tulpen aus dem Vorgebirge und nicht aus Amsterdam.

Unsere Schüler:innen absolvieren in ihrer Schulzeit ein Betriebs- und das Sozialpraktikum. In der achten Klasse starten sie mit dem landwirtschaftlichen Praktikum – ein Schulkonzept, das in dieser Form eher selten existiert. Verantwortung für die Gesellschaft und die Umwelt lauten die Stichwörter. Dabei sind die Jugendlichen in der Wahl ihrer Arbeitsstätte relativ frei: Ob Pferdehof, Biobetrieb, Gemüsebau oder Baumdienst – unsere Kinder lernen für zwei Wochen, sich in und mit der Natur zu bewegen.

So besinnlich wie es in Aegidienberg zugeht, so turbulent ist es in Rheinbreitbach. Dort hat Noah Arends seinen Praktikumsplatz bei Lutz Klein, einem Forstwirt und Schäfer, gefunden. Ursprünglich betrieb der 35-Jährige, gemeinsam mit seinem Bruder, einen Baumdienst. Heute widmet er sich voll und ganz seinen Schafen. Und der 13-Jährige ist mittenmang. Morgens in der Früh geht der erste Weg Richtung Stall. Dort sind die Tiere untergebracht, die im Moment nicht ganz fit sind. Sie müssen mit Wasser und neuem Stroh versorgt werden, manche auch mit Medikamenten. Anschließend wird nach den anderen Schafen auf der Weide geguckt. Zu tun gibt es genug.

Die Schafe von Lutz Klein werden für die Landschaftspflege und den Naturschutz, beispielsweise für große Areale regionaler Firmen wie Rabenhorst oder den Wintermühlenhof, eingesetzt. „Ich werde quasi dafür bezahlt, dass meine Tiere fressen“, schmunzelt er. Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Schäfer müssen sich mit der Aufzucht der Tiere, der Weidewirtschaft und Futtergewinnung, der Haltung, dem Stallbau und auch mit Hygieneregeln auskennen. Noah jedenfalls gefällt es auf dem Hof: „Ich durfte schon mit dem kleinen Traktor fahren.“ Und der Schäfer setzt nach: „Man sieht ja seine Entwicklung hier in der Zeit.“ Das landwirtschaftliche Praktikum rückt alle Schüler:innen ein Stückchen näher an die Natur.

Text und Fotos: Claudia Hennerkes