„Hui-Lui“ bei den Hackdays „Make Your School“ 2020

In drei Tagen von einer Idee bis zum Prototypen – wie geht das? Zum zweiten Mal durften unsere Schüler/innen bei den Hackdays „Make your School“ eigene Ideen entwickeln, die unsere Schule weiter verbessern.

Schon bei der Vorstellungsrunde der Mentoren, die uns von der Institution „Wissenschaft im Dialog“ aus verschiedenen Regionen Deutschlands zur Durchführung der Hackdays geschickt wurden, machen Schüler/innen und Lehrer/innen große Augen. Vorn in der Aula stehen drei junge Männer und eine Frau, die bereits kurz vor dem Ende ihres Studiums Experten sind im Bereich IT-Systems Engineering, Bioinformatik, Technische und Angewandte Informatik – und darüber hinaus jede Menge Erfahrung darin haben, junge Menschen fürs „Hacken“ zu begeistern. Dabei geht es nicht um Cyberkriminalität, um Einbrüche in fremde Rechner und Netze, wie heutzutage noch immer viele meinen, sondern um ein experimentierfreudiges, spielerisches Tüfteln zur Lösung eines Problems.

Die Mentoren Lisa, Simon, Thomas und Mark kommen direkt zur Sache: Was macht eine gute Schule aus? Wo gibt es Probleme und wie können diese mit digitalen und technischen Hilfsmitteln gelöst werden? Mit diesen Eingangsfragen beschäftigen sich die 28 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 7 bis 11 nun drei Tage lang, losgelöst vom regulären Unterricht.

Nach einer Problemanalyse und erster Ideefindung stellen sie kleine Teams zusammen und gehen munter ans Werk. Im Physiksaal ist eine Reihe von Materialkoffern aufgebaut.

Darin finden die Schüler/innen Microcontroller – mit schönen Namen wie Calliope, Raspberry Pi oder Arduino –, dazu Sensoren, Motoren, Werkzeug, Kabel usw. Am Ende des ersten Tags haben alle ihr Projekt gefunden und bereits daran herumgetüftelt. Physiklehrer Dr. Dirk Krämer, mit Nils Christians Initiator der Hackdays auf Schloss Hagerhof, ist beeindruckt von den Plänen seiner Schüler/innen: „Da sind tolle Ideen dabei, aber auch sehr ehrgeizige. Ich bin nicht sicher, ob sich alles in den noch verbleibenden zwei Tagen realisieren lässt.“

Der zweite Tag beginnt mit einem kurzen Impulsvortrag von Kostja Vornholt, IoT Developer bei T-Systems International in Bonn, den Nils Christians eingeladen hat.

Was bitte macht ein IoT Developer? Er entwickelt Lösungen für das „Internet der Dinge“. Dieses „Internet of Things“ findet seinen Einsatz beim Verbraucher, z. B. im „Smart Home“ mit „mitdenkenden“ Kühlschränken und Kaffeemaschinen, aber auch in der industriellen Produktion, wo Maschinen und Anlagen mit intelligenten Sensoren ausgestattet und untereinander vernetzt werden, etwa um die Effizienz zu steigern. Jedes dritte Start-up-Unternehmen widmet sich dem IoT, kein Wunder, dass sich auch unsere Jugendlichen dafür interessieren.

Kostja Vornholt legt den Schwerpunkt seines Kurzvortrags auf ein Prinzip der raschen Produktentwicklung: das „Minimum Viable Product“ (ins Deutsche übertragen in etwa „minimal überlebensfähiges Produkt“). „Wenn ihr in den nächsten drei Tagen den Prototypen eines Fahrzeugs bauen wollt, haltet euch nicht mit der Optimierung eines Rads auf, sondern konstruiert und präsentiert irgendeinen fahrbaren Untersatz; es muss kein Auto sein, aber vielleicht ein Skateboard. Das Feedback, das ihr dann erhaltet, hilft euch in der nächsten Runde, euren Prototypen zu erweitern und zu verbessern.“

Hochmotiviert arbeiten die Schüler/innen weiter an ihren Projekten, im Physikraum, im Computerraum und im Werkraum.

Am dritten Tag findet bereits die Präsentation in der Öffentlichkeit statt. Eltern, Pressevertreter und andere Interessierte kommen zum „Markt der Möglichkeiten“. Tatsächlich ist es trotz Schwierigkeiten und Rückschlägen jeder einzelnen Gruppe gelungen, einen Prototypen zu erstellen und ihn vor dem Publikum zu präsentieren:

Folgende Ideen wurden realisiert:

  1. Automatischer Fensteröffner: Abhängig von der Temperatur und dem CO2-Gehalt der Luft im Klassenraum öffnet sich automatisch das Fenster.
  2. „Intelligente Heizung“: Sobald ein Fenster geöffnet wird, schaltet sich die Heizung aus.
  3. Müllsammelroboter „Smart Controller plus“: selbstfahrendes Fahrzeug, das bei Hindernissen abdreht, Müll auf eine Kehrschaufel aufnimmt und abtransportiert
  4. „iCharge“: Schließfach für iPads, das eine Aufladfunktion bietet (Hintergrund Digitalisierung: Jede/r Schüler/in nutzt ein eigenes iPad als digitalen Lernbegleiter)
  5. „Blackboard“: Schüler-App, die den Vertretungsplan und Mensaplan nach einem Login mobil anzeigt
  6. „Hui-Lui“: Musikinstrument, das man mittels Ultraschallsensoren ohne Anfassen spielen kann.

Drei der sechs Projektgruppen widmen sich nachhaltigen Themen, fällt Schulleiter Dr. Sven Neufert auf, der wie auch unser Elternvertreter Oliver Kessler von den Ideen und den realisierten Prototypen begeistert ist.

Insbesondere der aktive Roboter „Smart Controller plus“ zieht Aufmerksamkeit auf sich. „Wobei mir, ehrlich gesagt, eine humanoide Lösung bei der Reduzierung unseres Mülls lieber wäre“, gibt Dr. Neufert lachend zu bedenken.

Zum Publikumsliebling avanciert allerdings „Hui-Lui“, der wie von Zauberhand gespielt Klänge erzeugt – auch wenn sich die Gruppe erst einmal kritischen Fragen stellen muss: „Welches Problem wird denn mit diesem Gerät gelöst?“ Schüler Thimon antwortet souverän: „In dieser Aula stehen zwei kostbare Flügel, die aber nur von fortgeschrittenen Musikschülern gespielt werden dürfen. Wir wollten ein Instrument bauen, dass jeder Schüler benutzen kann, ohne es zu beschädigen. Dieses Instrument kann man spielen, ohne es zu berühren.“

Das magische Instrument wird neben anderen Projekten auch beim Jubiläums-Hagerhoffest im September zu bestaunen sein. Die Schule arbeitet weiterhin daran, den Schülerinnen und Schülern derartige praktisch orientierte Projekttage anbieten zu können. Nils Christians und Dr. Dirk Krämer freuen sich, dass diese Angebote von den jungen Menschen begeistert angenommen werden: „Es ist schön zu sehen, wie sehr sich die Jugendlichen engagieren bei den Hackdays, wie konzentriert sie tagelang daran arbeiten. Zwei Jungen, Ahmed und Elias, haben sich sogar von ihrem Taschengeld weitere Materialien gekauft und am Wochenende zu Hause weiter gemacht.“

Und wie ist die Sicht der Schülerinnen und Schüler auf die Hackdays?

Hier ein Schülerbeitrag unserer Teilnehmerin Anna Weichelt:

An den Hackdays nahm ich dieses Jahr zum zweiten Mal teil. Bei der Problemerkennung und dem Sammeln von Lösungsansätzen kamen einige Dinge zusammen, auf die man vorher noch nicht im Blickwinkel eines Anderen gesehen hat, weshalb auch die Lösungen dementsprechend kreativ waren. Da dieses Jahr jedoch nicht nur an Problemen der Schule gearbeitet wurde, sondern auch an Kreativbeiträgen für unser Jubiläum, gab es auch in diesem Bereich einige interessante Projekte.

Die meisten Schüler arbeiteten konzentriert an ihren Projekten und es war interessant zu erleben, wie Schüler außerhalb des Unterrichts an Projekten arbeiten, die sie interessieren und begeistern.

Auch wenn nicht alles in diesen drei Tagen umgesetzt werden konnte, sind dennoch einige Ideen für Projekte entstanden, die man gemeinsam, auch mit der Unterstützung der Lehrer, umsetzen möchte und die zu der allgemeinen Verbesserung des Schulalltags beitragen können.

Auch die Mentoren haben uns mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten weiterhelfen und dennoch mit uns scherzen können, obwohl alle aus diesem Projekt mit unterschiedlichen Erfahrungen und Hintergründen zusammentrafen.

Ich freue mich vor allem, dass die Lehrerschaft und Schulleitung auf diesem Weg eindrucksvoll sehen konnten, was den Schülern auf dem Herzen liegt, was verbessert werden muss und sollte und wie auch die Schüler in diesen Prozess einbezogen werden können. Des Weiteren freue ich mich darüber, dass die Lehrer unsere Ideen unterstützen und uns dafür die nötigen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen schaffen oder helfen möchten, diese zu schaffen.

Text: Martina Rohfleisch, Fotos: Dr. Dirk Krämer, Martina Rohfleisch sowie Schülerinnen und Schüler der Medien-AG Schloss Hagerhof

 

Weitere Infos auf der Seite „Make Your School – Schloss Hagerhof“

 

Hintergrundinfos

Make Your School – Eure Ideenwerkstatt ist ein Projekt von Wissenschaft im Dialog (WiD). Es wird von der Klaus Tschira Stiftung gefördert.

Wissenschaft im Dialog – die Initiative der deutschen Wissenschaft

Wissenschaft im Dialog (WiD) möchte bei Menschen aller Altersgruppen und jedes Bildungsstandes Interesse an Forschungsthemen wecken und stärken. Dafür organisiert WiD Diskussionen, Schulprojekte, Ausstellungen und Wettbewerbe rund um Forschung und Wissenschaft – für alle Zielgruppen und in ganz Deutschland. Ziel dabei ist, dass sich möglichst viele Menschen auch mit kontroversen Themen der Forschung auseinandersetzen und an aktuellen Diskussionen beteiligen. Die gemeinnützige Organisation wurde 1999 auf Initiative des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft von den großen deutschen Wissenschaftsorganisationen gegründet. Als Partner kamen Stiftungen hinzu. Maßgeblich unterstützt wird WiD vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. www.wissenschaft-im-dialog.de

 

Klaus Tschira Stiftung
Der Physiker und SAP-Mitgründer Klaus Tschira rief 1995 mit privaten Mitteln die Klaus Tschira Stiftung (KTS) ins Leben. Heute gehört die KTS zu den großen Stiftungen Europas. Sie fördert Naturwissenschaften, Mathematik sowie Informatik und möchte zur Wertschätzung dieser Fächer beitragen. Die Unterstützung der Klaus Tschira Stiftung spiegelt sich in den drei Bereichen Bildung, Forschung und Wissenschaftskommunikation wider. Besonderen Wert legt sie dabei auf neue Formen der Vermittlung und Einordnung wissenschaftlicher Themen. Die KTS ist bundesweit tätig in Kindertagesstätten, Schulen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und eigenen Instituten. Für die Verwirklichung all dieser Ziele engagieren sich seit mehr als 20 Jahren Menschen innerhalb und außerhalb der Klaus Tschira Stiftung. www.klaus-tschira-stiftung.de