Klima-Talks mit Prof. Mojib Latif und Paula Caballero von der COP23

Kaum wurde die UN-Weltklimakonferenz COP23 in Bonn eröffnet, durfte Schloss Hagerhof zwei höchst prominente Klimaschützer begrüßen: Klimaexperte Prof. Mojib Latif sowie die kolumbianische COP23-Delegierte Paula Caballero hielten einen „Klima-Talk“ mit Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 10.

Merkt ihr eigentlich etwas vom Klimawandel?“, fragt Dr. Anatol Itten vom Bundesministerium Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit unsere Schüler zum Einstieg. „Ja, weniger Schnee!“, ist die erste einhellige Antwort. „Und mehr Stürme, Starkregen, Überschwemmungen … selbst bei uns“, ergänzen sie. Stimmt, das Wetter schlägt Kapriolen. Aber sind diese wirklich verursacht durch den Menschen?

„Wir leben im postfaktischen Zeitalter.“ Mit diesen Worten beginnt Prof. Mojib Latif seine kurze Präsentation zum Klimawandel. Damit spielt er nicht nur auf den US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump an. „Die Fakten liegen auf dem Tisch. Das Klimaproblem ist ein Energieproblem. Wie schon in der Steinzeit gewinnen wir Energie, indem wir fossile Brennstoffe verbrennen, wobei CO2 entsteht. Bereits seit 1896 ist der Zusammenhang zwischen dem CO2-Gehalt der Atmosphäre und der Temperatur bekannt. Der CO2-Gehalt ist so hoch, wie er es in den letzten 800.000 Jahren noch nicht einmal annähernd war, das weiß man aus Eisbohrkernen, die Luftbläschen enthalten. Die Durchschnittstemperaturen steigen, der Meeresspiegel steigt an, es gibt immer stärkere Wetterextreme, der Klimawandel ist längst im Gange. Und doch werden diese Fakten immer noch negiert. Was meint ihr, was bei mir los ist, wenn es hier im Winter einmal schneit? Dann bekomme ich E-Mails von Leuten, die mich beschimpfen, die sagen, ich würde Lügen über den Klimawandel verbreiten.“

Dr. Anatol Itten fragt unsere Schüler: „Was kann man denn tun gegen den Klimawandel, habt ihr Ideen?“ „Jeder kann doch etwas tun“, meint spontan eine Schülerin, „und wenn es nur eine Kleinigkeit ist, wie z. B. das Licht auszumachen, wenn man einen Raum verlässt.“ „Nein, hier sind große Sachen gefragt“, entgegnet ein anderer, „die Politik steht in der Verantwortung. Warum kann sich Deutschland nicht durchringen zu einem Stopp der Kohleverstromung und der Verbrennungsmotoren? Da kann doch ein Einzelner nicht viel ausrichten!“

Wie sieht denn die Klimapolitik anderer Staaten aus? Mit Frau Paula Caballero haben wir eine kolumbianische Delegierte zu Besuch, die an den Verhandlungen der COP23 teilnimmt.

„Die Klimapolitik Kolumbiens ist sehr progressiv, da Kolumbien zu den Staaten gehört, die vom Klimawandel extrem betroffen sind. Teile des Landes leiden unter Hitzewellen und Wassermangel, andere unter sintflutartigen Regenfällen. Und doch ist die Klimapolitik voller Widersprüche; über 80% des Stroms wird mit Wasserkraft produziert; andererseits exportiert Kolumbien Kohle und Öl. Bei einer Weltklimakonferenz treffen all diese Widersprüche, nicht nur die eines einzelnen Staates, aufeinander, was die Verhandlungen unglaublich schwierig macht. Da gibt es wohlhabende Staaten wie Deutschland, die relativ resilient gegenüber dem Klimawandel sind. Und auf der anderen Seite stehen da sehr verwundbare Staaten wie z. B. viele Inselstaaten, die auf dem Standpunkt stehen: Wir haben das Problem nicht verursacht, aber leiden unter den Folgen. Verschiedene Gruppierungen haben Blickweisen und Überzeugungen, die sich einfach nicht zur Deckung bringen lassen. Kennt ihr zum Beispiel die Umbrella Group? Oder die G 77?“

Und in der Tat stellen einige Schüler nicht nur unter Beweis, dass sie den engagiert vorgetragenen, englischsprachigen Ausführungen Paula Caballeros folgen können, sondern bereits über Hintergrundwissen verfügen. Der lose Zusammenschluss von Entwicklungs- und Schwellenländern zur Gruppe der 77 und die Umbrella Group als Bezeichnung für Industriestaaten, die nicht zur EU gehören, sich aber oft durch fehlende Bereitschaft zur Finanzierung von Klimaschutz und Klimaanpassung in den armen Ländern als Bremser bei Klimaverhandlungen hervorheben, wie z. B. Kanada oder Russland, sind ihnen jedenfalls ein Begriff.

Die kolumbianische Delegierte ist sichtlich erfreut über dieses Interesse und wendet sich mit einem Appell an die jungen Leute: „Wir brauchen Wissenschaftler und Politiker und Menschen, die mit gutem Beispiel vorangehen: Ihr spielt eine Riesenrolle, ihr seid bald auf dem Fahrersitz!“

Auch Prof. Latif betont noch einmal die Verantwortung in der Klimapolitik füreinander, sowohl zwischen den Regionen als auch zwischen den Generationen. „Ihr habt recht, das Treibhausgas CO2 ist global wirksam; es hat zwar eine lange Verweildauer in der Atmosphäre, etwa 100 Jahre, aber es durchmischt sich innerhalb von zwei Wochen. Wenn ihr also hier Auto fahrt, steigt in Bangladesch der Meeresspiegel. Und wenn wir hier Produktionen nach China auslagern, steigen nicht nur dort die global wirksamen Produktionsemissionen, sondern auch noch die des Transports.“

„Und wie sollen wir Einfluss darauf nehmen, dass Produktionen ausgelagert werden?“, lautet die kritische Rückfrage eines Schülers. „Durch unser Kaufverhalten z. B.“, antworten andere. „Wir können entscheiden, was wir kaufen und was nicht, z. B. auch, welchen Strom wir kaufen.“

„Es kommt auch erst einmal gar nicht darauf an, ob alle so handeln“, ermuntert der Klimaexperte. „Es reicht, wenn ein kleiner, aber signifikanter Teil der Bevölkerung darauf achtet. Das ist dann wie eine Initialzündung. Also bitte keine Resignation. Ich finde, es ist wichtig, dass man in den Spiegel schauen kann und weiß, man macht etwas. Und das hat nicht unbedingt mit Verzicht zu tun. Konsum macht nicht glücklich. Den Lebensstandard zu reduzieren ist also kein Verzicht, sondern ein Gewinn an Lebensqualität. Fragt euch doch selbst: Was macht mich wirklich glücklich?“

Gerade der letzte Gedanke passt genau zu unserer Aktion „Mein Commitment für den Klimaschutz.“ Mehr dazu hier.

Das Feedback unserer Schülerinnen und Schüler auf den Klimatalk war sehr positiv. Sie fanden es insbesondere interessant, sowohl naturwissenschaftliche also auch politische und wirtschaftliche Aspekte des Klimaschutzes kennenzulernen. Wir danken ganz herzlich unseren Besuchern Prof. Mojib Latif, Paula Caballero und Dr. Anatol Itten für diesen ergebnisreichen „Klima-Talk“.

Foto: Unser stellvertretender Schulleiter Matthias Sieber überreicht Paula Caballero und Prof. Mojib Latif den Bildband von Schloss Hagerhof als kleines Gastgeschenk.

Unsere Gäste:

Paula Caballero ist seit 2016 Global Director des Klimaprogramms im World Resources Institute. Das World Resources Institute (Sitz in Washington D.C.) ist eine unabhängige Denkfabrik mit dem Schwerpunkt Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung und umfasst einen Stab von etwa 100 Wissenschaftlern, Wirtschaftsanalysten und Politikexperten. Frühere berufliche Stationen Paula Caballeros: Director for Economic, Social and Environmental Affairs im kolumbianischen Außenministerium sowie Senior Director of the Environment and Natural Resources Global Practice of the World Bank Group.

Paula Caballero auf Youtube zur COP23

Prof. Mojib Latif ist in Deutschland der wohl bekannteste Klimaforscher; bei verschiedenen Fernseh- und Hörfunksendern wird er häufig als Experte zum Thema „Globale Erwärmung“ eingeladen. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre und der Meteorologie verschrieb er sich der Ozeanographie. Seit 2003 ist er Professor am ehemaligen Institut für Meereskunde und heutigen GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, zudem Vorstandsmitglied des Deutschen Klima-Konsortiums e.V. (DKK) und seit Oktober 2017 Präsident des Club of Rome Deutschland. Für seine Forschungsarbeit und die Fähigkeit zur Vermittlung der Wissenschaft in der Öffentlichkeit erhielt er 2015 den Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt.

Einige Links zu Artikeln und Interviews mit Prof. Mojib Latif:

Zur Verleihung des Deutschen Umweltpreises:

WWF: Kalte Winter, warme Weihnachten und wie man den Klimawandel einem sechsjährigen Kind erklären kann

Deutschlandfunk: Trump und das Weltklima

Deutschlandfunk: Über den Hurrikan Harvey

GEO: „Ich bin nicht bereit zu sagen, wir seien auf einem guten Weg.“

Fachlicher Austausch: Dr. Sven Neufert, Matthias Sieber und Dr. Dirk Krämer nach der Veranstaltung im Gespräch mit Prof. Mojib Latif, Paula Caballero und Dr. Anatol Itten.

(Fotos und Text: Martina Rohfleisch)