Neuer Schulleiter ab dem 1. August 2018: Dr. Sven Neufert und „Hagerhof 3.0“

Es war ein langer, gründlicher Ausschreibungs-, Auswahl- und Entscheidungsprozess zur Beantwortung der Frage: Wer soll ab dem 1. August 2018 die Schulleitung übernehmen, wenn unsere langjährige Direktorin Frau Dr. Meisterjahn-Knebel in den Ruhestand geht? Von den zahlreichen Bewerbern aus dem In- und Ausland wurden drei Kandidaten und eine Kandidatin zum Bewerbungsgespräch und zu einer Präsentation eingeladen. Einer hat nicht nur die Gesellschafter unserer Schule als Entscheidungsträger, sondern auch unsere Mitarbeiter und die Schulpflegschaft mit seiner Vision von „Hagerhof 3.0“ überzeugt und wurde einstimmig zum Nachfolger gewählt: Dr. Sven Neufert.

Welchen Platz nimmt Schloss Hagerhof heute in der Bildungslandschaft ein, wie sollen die Weichen für die Zukunft gestellt werden? Dr. Sven Neufert hat hier klare Vorstellungen:

Hagerhof 3.0

„Von 1960 bis 1996 war der Schloss Hagerhof ein traditionelles Gymnasium, seit 1996 ist unsere Schule unter der Leitung von Frau Dr. Meisterjahn-Knebel zu einer der führenden reformpädagogischen „Erfahrungsschulen des sozialen Lebens“ entwickelt worden. So nennt die italienische Pädagogin Maria Montessori, deren pädagogischer Konzeption wir uns verpflichtet fühlen, eine Schule umfassender Persönlichkeitsbildung, die etwa im 12. Lebensjahr einsetzt. Dies ist die Phase, in der ein jugendlicher Mensch das Bedürfnis entwickelt, „die Rolle des Menschen, die er in der Gesellschaft spielen wird, zu begreifen“. Dieses zentrale Bedürfnis ist nicht allein durch intellektuelle Studien zu befriedigen, sondern bedarf auch sozial-praktischer Tätigkeiten.

Durch individuelle Freiheit und eine starke soziale Gemeinschaft bilden wir selbstbestimmte und zugleich verantwortungsvolle Persönlichkeiten, die den Herausforderungen einer sich rasant verändernden Welt gewachsen sind. Diese Grundüberzeugung verbindet das gesamte Kollegium unserer Schule. Sie ist und bleibt unser leitender Kompass.

Die Umsetzung dieser Grundüberzeugung gelingt uns durch fünf Säulen:

1) Einen Unterricht, der ausgehend von der „Freien Arbeit“ Maria Montessoris und reformpädagogischen Konzepten der Projektarbeit Lernen als einen eigenaktiven, selbstbestimmten Vorgang ins Zentrum stellt. Flankiert wird er durch ein Angebot vielfältiger Praktika (Betriebspraktikum, Landwirtschaftspraktikum, Sozialpraktikum), die den schulischen Lernraum überschreiten.

2) Ein engagiertes Internat, in dem unsere Schüler(innen) ihr Zusammenleben in der Gemeinschaft zunehmend selbstverantwortlich organisieren.

3) Einen gut ausgebauten, rhythmisierten Ganztag, bestehend aus individuellen Förderangeboten im Bereich der Mathematik, Rechtschreibung und der Fremdsprachen, einem sportlichen Angebot und Arbeitsgemeinschaften wie z. B. der Garten- oder Umwelt-AG, die der ökologischen Bildung dienen.

4) Eine individuellen Sport-Förderung in unserem herausragenden Basketball-Leistungsstützpunkt, die in den letzten Jahren ergänzt wurde durch Förderschwerpunkte im Golfen und Tennis.

5) Eine Musik- und Musical-Schule, die neben den individualisierten Einzelunterricht die gemeinschaftliche Ensemble-Arbeit an großen Musicals stellt, die seit Jahrzehnten nicht nur unsere Schulgemeinschaft begeistern.

Wenn ich die neue Phase, in die unsere Schule nun tritt, Hagerhof 3.0 nenne, so ist damit also kein Bruch gemeint, sondern eine Weiterentwicklung dieser tragenden Säulen.

Zusammen mit unserem Kollegium möchte ich aber auch neue Entwicklungen in Gang setzen: ‚Digitalisierung‘, ‚Vernetzung‘ und ‚Partizipation‘ sind zentrale Schlagwörter unserer schulischen Arbeit in den nächsten Jahren.

Die Digitalisierung des Lernens an unserer Schule wird nicht nur eine technologische Herausforderung sein; sie bedeutet auch, Lernprozesse neu zu denken. Die Chancen für die individuelle, selbstbestimmte Arbeit unserer Schüler(innen) in einer auch digitalisierten Lernumgebung sind ungemein groß.

Wie sähe ein Englisch-Unterricht aus, in dem ich mich in Echtzeit mit Muttersprachlern in einem gemeinsamen Projekt vernetzen kann? Wie motivierend wäre ein Mathematik- und Physik-Unterricht, in dem Schüler(innen) den Mini-Roboter BOB3 zusammenbauen und ihn selbst programmieren? Werden wir im Deutsch-Unterricht durch „Etherpad“ neue Formen des gemeinschaftlichen Schreibens entwickeln? Welche Möglichkeiten bietet der multimediale „Book Creator“ für die Anfertigung unserer traditionellen Tier-Bücher in der Unterstufe? Revolutioniert die ‚Neogeographie‘ den Erdkunde-Unterricht?

Dies sind nur beispielhafte Fragen; auf einige dieser Fragen haben wir – und da finden wir uns in der deutschen Schullandschaft in guter Gesellschaft – noch keine Antworten. Wir stellen uns diesen Fragen aber. In wenigen Jahren werden wir uns wieder neuen Fragen stellen müssen. Die Digitalisierung schreitet ungemein schnell voran; sie erschöpft sich nicht in einmaligen Anschaffungsentscheidungen. Ich sehe diesem Prozess mit großem Optimismus entgegen: Unser junges oder junggebliebenes Kollegium ist neugierig. Und wichtiger noch: Mit der Montessori-Pädagogik haben wir einen sicheren Kompass, der uns bei dieser Erkundung leitet.

Auf der Grundlage der Digitalisierung werden wir in den nächsten Jahren weiter die Vernetzung unserer Schule mit außerschulischen Lernpartnern der Kommune und Region intensivieren, um bedeutsames Lernen in realen, lebensweltlich angebundenen Projekten so oft wie möglich zu garantieren.

Mit dem Schlagwort der „Partizipation“ ist vor allem eine Einladung an unsere Schüler(innen) verbunden: Macht den Hagerhof noch stärker als bisher zu Eurer Schule! Bringt Euch und Eure Ideen ein! Die demokratische Organisation unserer Schulkultur nehme ich ernst.

Thematisch leitend für unsere inhaltliche Arbeit wird dabei stärker als je zuvor Montessoris Gedanke der „Kosmischen Erziehung“ sein: Angesichts der Globalisierung sah Montessori schon in den 1940er Jahren, dass sich ein universales Bewusstsein der Menschheit für die globalen Fragen unseres Zusammenlebens und Überlebens entwickeln muss.

Der Klimawandel, globale Flüchtlingsströme, eine hochgradig vernetzte Weltwirtschaft, in der Verbraucher über das Arbeitsleben in Bangladesch mitentscheiden – diese und andere Entwicklungen zeigen, wie wichtig Montessoris Überlegungen zu einer Erziehung und Bildung sind, die das Bewusstsein des Einzelnen dafür schärft, welche Bedeutung er für das ökologische Gleichgewicht hat.

Hagerhof 3.0 – das ist Montessoris „Erfahrungsschule des sozialen Lebens“ gedacht mit Blick auf die Anforderungen und Bedingungen des 21. Jahrhunderts – digital, vernetzt, demokratisch, im Bewusstsein einer Verantwortung für die zentralen Überlebensfragen unserer Menschheit.“

Zur Person:

Dr. Sven Neufert kam im August 2012 nach Abschluss des II. Staatsexamens als Lehrer für die Fächer Deutsch und Geschichte an den Schloss Hagerhof. Er studierte Germanistik und Geschichtswissenschaft an den Universitäten Bonn, St. Andrews und Florenz und arbeitete nach seinem I. Staatsexamen fünf Jahre als Lehrbeauftragter für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft am Institut für Germanistik, Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft der Universität Bonn. Herr Neufert veröffentlichte im Bereich der Literatur- und Theaterwissenschaft und beendete sein Promotionsstudium 2016 mit der Arbeit „Theater als Tempel – Völkische Ursprungssuche in Drama, Theater und Festkultur 1890–1930“. Im selben Jahr schloss er sein Montessori-Diplom an der Akademie Biberkor ab. – Schon während des Referendariats beschäftigte er sich mit Modellen selbstorganisierten Lernens unter Berücksichtigung digitaler Medien. Am Schloss Hagerhof arbeitete er zunächst als Klassenlehrer in der Realschule, dann als Tutor in der Oberstufe; er etablierte mit Herrn Fenger „Darstellendes Spiel“ als Fach in der Differenzierung (Jg. 8/9) und entwickelte das Profil der historisch-politischen Bildung an unserer Schule.