Unsere Abiturientia und Realschulabsolvent/innen 2020

Rauschende Feste zum Schulabschluss fallen in diesem Jahr aufgrund der Corona-Pandemie fast überall auf der Welt aus. Schloss Hagerhof hat einen Weg gefunden, die Leistungen seiner Abiturienten und Realschulabsolvent/innen dennoch „gebührend zu würdigen“.

In zwei „dienstlichen Veranstaltungen“ nahmen im strahlend schön renovierten und Corona-bedingt sparsam bestuhlten Kursaal der Stadt Bad Honnef unsere Abiturienten und Realschulabsolvent/innen unter strengen Hygienevorschriften im Beisein ihrer Eltern ihr Abschlusszeugnis entgegen.

Für einen festlichen Rahmen und gemeinsame emotionale Augenblicke sorgten die Schülerinnen und Schüler unserer Musik- und Musicalschule – ein kleiner Trost angesichts der ausgefallenen Musical-Jubiläumsaufführungen: Mark Braun und Natalia Kazakova (Violoncello), Chamu Lee und Isabel Anhäuser (Violine), Rebecca Achenbach, Joseline Albayrak, Petra Frisch und Ronja Hähr (Gesang).

„Ihr seid die Generation Corona, ob ihr das wollt oder nicht …“ – mit diesen Worten sprach Schulleiter Dr. Sven Neufert unsere Absolventinnen und Absolventen und zitierte Studienergebnisse der Uni Erfurt: „Es ist eine Generation, die sich belastet fühlt. Und zwar deutlich belasteter als die ältere Generation, die sogenannte Risikogruppe: Nur 25% der 65- bis 74-Jährigen fühlen sich augenblicklich belastet, während dies immerhin 45% der 18- bis 29-Jährigen augenblicklich sagen, im März lag der Wert dort sogar bei 56%. Dieses Gefühl der Belastung hängt wahrscheinlich mit einer Zukunftsangst derjenigen zusammen, die noch mehr Zukunft haben. Ihr habt noch viel mehr Zukunft als wir Älteren hier im Raum.“

Mit den bundesweiten Schulschließungen sind trotz des gut funktionierenden Online-Unterrichts am Schloss Hagerhof soziale Folgen verbunden: „Was die psychischen Belastungen gerade von Familien mit Kindern  unter Anderem zeigen: Schule ist wichtig. Als ein Raum des Entdeckens, Forschens, Lernens, Denkens, aber auch und vor allem als ein Raum des sozialen Miteinanders. Dieser Raum bricht von einem Tag auf den anderen weg – und die zentrale Erkenntnis des Distanzlernens – eures „Zoom-Unterrichts“ – ist gerade nicht die Bedeutung von Digitalisierung, sondern die Bedeutung von Nähe. Nähe zuallererst zu den Freunden, zur Gemeinschaft der Klasse, zu den Lehrerinnen und Lehrern.“

Der unerwartete Verlust von Sicherheit und Freiheit, den gerade diese junge Generation besonders stark erlebt, birgt wie jede tiefgreifende Krise eine Chance und damit eine Hoffnung, wie Dr. Sven Neufert betont:

„Die Generation Corona ist diejenige, die begreift: Es geht eben nicht immer einfach weiter so. Wir lebten allzu lange nach dem TINA-Prinzip. TINA: There is No Alternative. Der Ausnahmezustand zeigt: Das TINA-Prinzip kann durchbrochen werden. Ich hoffe: Wir befinden uns in dieser Tiefenkrise wirklich an einer Weggabelung: Der eine Weg ist der des „Weiter so“, des TINA-Prinzips.

Wir müssen aber den anderen Weg gehen, um Sicherheit und Freiheit für alle Menschen auf diesem Planeten langfristig zu erringen. Ohne euch – die Generation Corona – werden wir das nicht schaffen, werden wir Älteren wieder Ausreden dafür finden, warum unsere Art der Fortbewegung, der Energiegewinnung, des Ressourcenabbaus, der Marktwirtschaft, des Konsums, der Eigentumsverhältnisse, des Geschlechterverhältnisses, des subtilen Rassismus eben hinzunehmen oder nur durch Mini-Schritte zu verändern sei.

Empört euch! Beschreitet den anderen Weg! Sucht nach Alternativen!“

In diesem Jahr gibt es leider auch keine Gruppenbilder, deshalb hier zwei Collagen unserer Abschlussjahrgänge (Fotos Abiturienten: Heinz-Willi Faßbender, Fotos Realschulabsolvent/innen: Kelubia Ekoemeye).

Unsere Abiturientia:

Von 60 Schülerinnen und Schülern des Abitur-Jahrgangs haben 57 die Allgemeine Hochschulreife, 3 die Fachhochschulreife erlangt; 24 Abiturienten haben mit einer Eins vor dem Komma abgeschnitten, davon 4 mit einer 1,0. Der Durchschnitt des Jahrgangs liegt damit bei 2,13 und wie beim vorherigen Abiturjahrgang wieder weit über dem NRW-Landesdurchschnitt, der traditionell um 2,4 liegt.

Wir gratulieren Frederic von Altrock, Tim Béla Bauer, Matthias Baukmann (1,0), Teresa Berg, Sanne Berkel, Franziska Botz , Annika Broich, Linda Brückner, Nika Carstens, Robin Danes, Lina Donauer (1,0), Julia Ellermann, Luca Fajfar, Tim Fischer, Lucas Flöer, Fintan Frey, Jan Jasper Fuchs, Lara Funke, Maxime Geller, Niklas Götz, Anno Habbich, Caroline Hangen, Emelie Harbo, Elena Hauschild, Winston Heberer, Lara-Antonia Heenes, Jens Hillen, Janine Alexa Höcherl, Tom Jacobs, Melanie Jeschke, Flinn Joswig, Caspar Jung, Bertha Jürges, Esther Kaltwasser, Lasse Kock, Hannah Kückenhoff, Tessa Küster (1,0), Lotte Mahal, Remy Marcello, Christoph Meischt, Justus Peters, Estelle Philipp, Julius Ramlau, Anton Rosenau, Laurence Rüssel, Paul Scharbach, Alina Schluch, Isabella Selker, Tessa Solzbacher, Maya Stahmer (1,0), Fabian Tietmeyer, Niklas Weber, Charlotte Weiß-Margis, Sophie Welzel, Aaron Wichartz, Vivien Wiese und Leon Wirtz.

Unsere Realschulabsolventinnen und -absolventen:

39 Realschülerinnen und -schüler haben den Mittleren Schulabschluss (die „Mittlere Reife“) und damit die Fachoberschulreife erreicht, davon 23 mit der Qualifikation für den Besuch der gymnasialen Oberstufe.

Wir gratulieren Noah Azrak, Justus Bersem, Friedrich Beth, Simon Petrus Birkelbach, Lea Sophie Bloeck, Cedric Coppeneur, Veit Thorben Engler, Lyuboslava Evdokimova, Sanja Marie Eymael, Eric Federholzner, Ismael Fofana, Nina Gauglitz, Jana Marie Grimberg, Dominik Happe, Alister Heinzen, Nels Hemicker, Viktoria Hillebrand, Frederik Hoefer-Janker, Katharina Hölscher, Lea Jähnig, Pau Jung, Bengi Kedik, Philine Joel Klüsener, Victoria Lammerich, Michael Leicher, Lasse Linden, Vincenz Manns, Matthias Meischt, Luis Petschik, Raul Ramershoven, Nico Saal, Moritz van Sambeck, Luiz-Johannes Schmitz, Zoe Sontag, Benjamin Wehdeking, Florian Winkens, Justin Wissel und Merle Ziegler.

Unsere herzlichsten Glückwünsche an euch alle – wir sind wahnsinnig stolz auf euch und wünschen euch alles Gute! Kommt uns bitte bald wieder besuchen!

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Hier die gesamte Rede unseres Schulleiters Dr. Sven Neufert:

Ihr seid die Generation Corona

Herzlich willkommen zur Zeugnisverleihung, liebe Absolventinnen und Absolventen, liebe Eltern, liebe Kolleginnen und Kollegen – namentlich willkommen heißen möchte ich Herrn Laufer, den Geschäftsführer unseres Schulträgers, unseren Elternpflegschaftsvorsitzenden Herrn Kessler und nicht zuletzt Frau und Herr Solzbacher als Vertreter unserer Gesellschafter – und dieses Jahr zugleich stolze Eltern einer Abiturientin.

Wir sind der Stadt Bad Honnef dankbar, dass unsere Zeugnisausgabe eine der ersten Veranstaltungen überhaupt in diesem wunderschönen, soeben frisch renovierten Jugendstil-Saal sein darf, um diesen wichtigen Einschnitt in eurem Leben, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, wenigstens in einem gebührenden Rahmen würdigen zu können – das Wort „feiern“ wage ich ja gar nicht in den Mund zu nehmen.

Wenn Sie es noch nicht wissen sollten: Sie befinden sich augenblicklich bei einer dienstlichen Veranstaltung – so hat das Ministerium Zeugnisverleihungen definiert. Das ist neben dem Infektionsschutz einer der Gründe, warum die Korken dann erst zuhause oder in den von Ihnen gebuchten Restaurationen knallen dürfen.

Grund genug zum Feiern gibt es allemal, denn ihr könnt stolz sein, liebe Abiturientinnen und Abiturienten. Von 60 Schülerinnen und Schülern eures Jahrgangs haben 57 das Abitur, 3 die Fachhochschulreife geholt. 24 Abiturienten haben mit einer Eins vor dem Komma abgeschnitten, davon 4 mit einer 1,0. Der Durchschnitt eures Jahrgangs liegt damit bei 2,13 und wie beim vorherigen Abiturjahrgang wieder weit über dem NRW-Landesdurchschnitt, der traditionell um 2,4 liegt.

Von den 39 Absolventinnen und Absolventen der Realschule haben 23 die Qualifikation für den Besuch der gymnasialen Oberstufe.

Herzlichen Glückwunsch euch zu dieser tollen Leistung!

Dieser Erfolg wäre nicht möglich gewesen, wenn es bei den meisten von euch nicht doch im Laufe der letzten Schuljahre Klick gemacht hätte: Viele haben bei uns am Schloss gelernt, eigenverantwortlich und selbstorganisiert zu lernen.

Dabei hattet ihr Hilfe.

Dank sagen möchte ich allen voran euren verschiedenen Klassenlehrern der Sekundarstufe I, darunter Frau Schultes, Herrn Reinschmidt und Herrn Stehr sowie Frau Harbecke, letztere auch in ihrer Funktion als Realschulkoordinatorin, …

… den Fachkolleginnen und -kollegen eurer letzten Oberstufenjahre, euren Erzieherinnen und Erziehern, euren Tutoren Herrn Solzbacher und Herrn Harting, …

… meinem Stellvertreter und kommissarischen Oberstufenkoordinator Herrn Sieber, der uns allen unermüdlich einen sicheren Organisationspfad durch den Corona-Dschungel geschlagen hat; Frau Schmidt, die mir stets mit viel Humor einen guten Einblick in das gibt, was euch Internatler gerade bewegt, und die sich immer mit Augenmaß für euch eingesetzt hat; unsere Schulsekretärin Frau Nerger, die fast immer für euch zu sprechen war; den Hausmeistern – und nicht zuletzt Frau Sieg, die für euch Internen noch mal die Extramaschine Wäsche anstellte, den Nudelauflauf machte oder einfach nur ein offenes Ohr für eure Nöte hatte.

Ihr seid die Generation Corona. Ob ihr das wollt oder nicht. Ob ihr mit dem Etikett etwas anfangen könnt oder nicht. Ob die Corona-Pandemie euch beschäftigt oder euch das alles eher wenig juckt.

Ihr seid die Generation Corona. Was das aber wirklich bedeutet, das weiß noch keiner der sich streitenden Jugendforscher, Soziologen, Psychologen und Pädagogen – und ihr wisst es wahrscheinlich auch noch nicht so genau.

Generation Corona – eines ist klar mit Blick auf die Zahlen, die seit Anfang März von der Uni Erfurt zur psychologischen Lage der deutschen Bevölkerung in der Pandemie erhoben werden: Es ist eine Generation, die sich belastet fühlt. Und zwar deutlich belasteter als die ältere Generation, die sogenannte Risikogruppe: Nur 25% der 65- bis 74-Jährigen fühlen sich augenblicklich belastet, während dies immerhin 45% der 18- bis 29-Jährigen augenblicklich sagen, im März lag der Wert dort sogar bei 56%. Dieses Gefühl der Belastung hängt wahrscheinlich mit einer Zukunftsangst derjenigen zusammen, die noch mehr Zukunft haben. Ihr habt noch viel mehr Zukunft als wir Älteren hier im Raum, liebe Abiturientinnen und Abiturienten.

Eines verbindet meine und eure Generation sicherlich, obwohl ich meine Mittlere Reife 1996 und mein Abitur 1999 gemacht habe: Ein Gefühl der Sicherheit.

Mein Grundgefühl über lange Jahre: Ich lebe in einem Staat, der für einen guten Rahmen sorgt. Ich kann mich um mich, meine Freunde, meine Familie, also: mein Leben, kümmern. Das heißt z. B. um hier einige wichtige Dinge lose aufzureihen: Dinosaurier-Forschung, Fossilien-Sammlung, BMX, Mountainbiken, Bolzen auf dem Fußballplatz, Budenbauen, Dart-Club; ernste Schriftstellerversuche auf der Triumph-Adler-Schreibmaschine (maschinell!) meines Vaters, lange Abende mit Brettspielen, Game Boy, Super-Nintendo, Frickeln am 1. PC. Urlaubsreisen mit den Eltern in ganz Europa. Erste Praktika, Überlegungen, wohin die Reise beruflich gehen könnte. Entscheidung fürs Lehramt als Schüler in der Oberstufe. Studium der brotlosen Künste Germanistik und Geschichte. Endlose Diskussionen in der Studenten-WG über Big Lebowski, Gender Studies, Günter Grass, meist kombiniert mit schlechtem Rotwein. – Ich breche die Aufzählung ab. Sicherlich war ich, genauso wenig wie ihr egozentrisch, habe mich engagiert, auch politisch.

Das Grundgefühl blieb aber immer: Ich bin sicher, ich bin frei, meinen Eltern geht es gut, mir geht es gut, uns wird es in Zukunft noch besser gehen.

Und geht es mal nicht so, wie „wir“ es wollen, so ist der Schuldige schnell ausgemacht. 1991 hängen wir an unserer Realschule Transparente auf: „Kein Blut für Öl.“ Wir demonstrieren gegen den Irak-Krieg, wobei ich eher im Schlepptau älterer SV-Schüler mitlaufe; von großer Politik verstehe ich noch nichts, weiß aber: Die Amerikaner wollen Öl, nur deswegen kämpfen sie gegen den Irak, deswegen müssen Menschen sterben. – Beim Terroranschlag vom 11. September 2001 sind die Bösen dann im ersten Moment die Islamisten und dann doch wieder auch die USA, die den Kampf gegen den Terror für ihre Zwecke nutzen. In der Finanzkrise 2008/09 sind die Banken und Börsen, der unkontrollierte Finanzkapitalismus, die Bösen.

Das Grundgefühl bleibt in allen Krisen aber immer: Ich bin sicher, ich bin frei, meinen Eltern geht es gut, mir geht es gut, uns wird es in Zukunft noch besser gehen.

Und nun das: In Weltwirtschaft, Transport und Verkehr lassen sich im Frühjahr 2020 innerhalb kurzer Zeit massive globale Reduktionen von über 80 Prozent des Volumens beobachten; Kultur, Bildung und ein großer Teil des gesellschaftlichen Lebens kommen abrupt zum Erliegen. Unsere beschleunigte Gesellschaft entschleunigt sich, kommt fast zum Stillstand. Der Schuldige lässt sich diesmal nicht so leicht finden. Der Feind ein Virus, über das wir immer noch erschreckend wenig wissen. Zwischenzeitlich das Gefühl, Staat, Behörden, Wissenschaft könnten überfordert sein. Die Maßnahmen gegen die Krise werden schnell drastisch, schränken mich, mein Umfeld ein.

Ich fühle mich unsicher, ich fühle mich nicht mehr frei, die Nächte enden immer häufiger für mich früh. Wird es uns in Zukunft besser gehen? Gewiss ist erst einmal nur die Schulschließung am 13. März 2020.

Was die psychischen Belastungen gerade von Familien mit Kindern – und diese werden durch die Erhebungen der Uni Erfurt eindrucksvoll belegt – unter Anderem zeigen: Schule ist wichtig. Als ein Raum des Entdeckens, Forschens, Lernens, Denkens, aber auch und vor allem als ein Raum des sozialen Miteinanders. Dieser Raum bricht von einem Tag auf den anderen weg – und die zentrale Erkenntnis des Distanzlernens – Eures „Zoom-Unterrichts“ – ist gerade nicht die Bedeutung von Digitalisierung, sondern die Bedeutung von Nähe. Nähe zuallererst zu den Freunden, zur Gemeinschaft der Klasse, zu den Lehrerinnen und Lehrern.

Schule ist eben für euch am Schloss Hagerhof und zum Glück auch an vielen staatlichen Schulen kein Exil mehr. Maria Montessori schrieb 1936 in ihrem Buch „Kinder sind anders“: Schule sei „jenes Exil, in dem der Erwachsene das Kind so lange hält, bis es imstande ist, in der Erwachsenenwelt zu leben, ohne zu stören.“

Ihr seid die Generation Corona. Ob ihr das wollt oder nicht. Ob ihr mit dem Etikett etwas anfangen könnt oder nicht. Ob die Corona-Pandemie euch beschäftigt oder euch das alles eher wenig juckt.

Ihr seid die Generation Corona. Was das aber wirklich bedeutet, das weiß noch keiner der sich streitenden Jugendforscher, Soziologen, Psychologen und Pädagogen – und ihr wisst es wahrscheinlich auch noch nicht so genau.

Meine Hoffnung ist:

Die Generation Corona ist diejenige, deren Grundgefühl ist: Sicherheit ist verletzlich, ja geradezu trügerisch; Freiheit ist nicht selbstverständlich.

Meine Hoffnung ist:

Die Generation Corona ist diejenige, die begreift: Es geht eben nicht immer einfach weiter so. Wir lebten allzu lange nach dem TINA-Prinzip. TINA: There is No Alternative. Der Ausnahmezustand zeigt: Das TINA-Prinzip kann durchbrochen werden. Und zwar von der Politik. Diese Beobachtung des Soziologen Hartmut Rosa halte ich für besonders wichtig: Es war die Politik, die gegen die „Eigenlogik der Finanzmärkte, der großen Konzerne, der Geschäftsinteressen“ an Handlungsmacht gewonnen hat. Wie Rosa zu Recht sagt, kontrastiert diese Erfahrung scharf mit der Ohnmachtserfahrung angesichts der Klimakrise und schreiend ungleicher Vermögens- und Verteilungsverhältnisse, in denen wir leben. Das zuletzt beschlossene Klimapaket der Bundesregierung wirkte für viele junge Menschen – die Fridays-for-Future-Bewegung – eher wie eine Kapitulation der Politik. Zentrale Botschaft dieses Pakets war: There is No Alternative. TINA.

Ich hoffe: Wir befinden uns in dieser Tiefenkrise wirklich an einer „Bifurkation“, so nämlich nennen Soziologen reichlich hochtrabend eine Weggabelung: Der eine Weg ist der des „Weiter so“, des TINA-Prinzips.

Wir müssen aber den anderen Weg gehen, um Sicherheit und Freiheit für alle Menschen auf diesem Planeten langfristig zu erringen. Ohne euch – die Generation Corona – werden wir das nicht schaffen, werden wir Älteren wieder Ausreden dafür finden, warum unsere Art der Fortbewegung, der Energiegewinnung, des Ressourcenabbaus, der Marktwirtschaft, des Konsums, der Eigentumsverhältnisse, des Geschlechterverhältnisses, des subtilen Rassismus eben hinzunehmen oder nur durch Mini-Schritte zu verändern sei.

Empört euch! Beschreitet den anderen Weg! Sucht nach Alternativen!

Und: Vergesst uns nicht an Schloss Hagerhof! Macht’s gut!

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Und hier noch Auszüge aus der Rede unseres Schulleiters an die Realschulabsolventen:

Ihr seid ein Jahrgang, der häufig Alternativen gesucht hat, zu dem, was wir ihm angeboten haben. Etwa die Hälfe von euch habe ich auch unterrichtet. Gut erinnere ich mich noch an den Deutschunterricht von der 5. bis zur 7. Klasse. Sehr oft wolltet ihr etwas anderes als ich. In der Rückschau würde ich sagen: Ich hatte damals nicht den Mut, euch noch mehr gerahmte Freiheit zu geben.

War größerer Freiraum da und Kreativität gefragt, konnte es mit euch wunderbar laufen. So erinnere ich mich noch gut an unser Thema „Werbung“ in der 7. Klasse. Ihr solltet eigene Werbeplakate gestalten und in Präsentationen erläutern. Da wart ihr mit einer unheimlichen Energie und Entschlossenheit bei der Sache – alle von euch schon damals kleine Verkäufer einer eigenen Ideenwelt, auch wenn es vielleicht nicht jedes Produkt bis zur Serienreife gebracht hat.

Florian etwa bewarb einen Zauberstab mit dem Slogan „Heute schon gewünscht?“ Sein Werbeplakat erklärte er in seiner Power-Point-Präsentation so:

„Meine Hintergrundbilder sind einmal ein Traumhaus und dann noch ein Ferrari-Fuhrpark. Ich habe einen Zauberstab darauf, der den Kunden schon einmal sagen soll, dass man sich damit so etwas erzaubern kann.“

Ihr könnt also, wenn ihr wollt. Und ihr wollt eben nicht immer so, wie wir Älteren das wollen. Wir werden wahrscheinlich auch in Zukunft keinen Zauberstab haben, aber wir haben euch.

Bleibt eine Herausforderung – egal ob ihr jetzt bei uns in der gymnasialen Oberstufe weitergeht, auf eine andere Schule wechselt oder eine Ausbildung beginnt. Hört genau zu, was die Älteren/ Erfahreneren in Schule und Betrieb euch zu sagen haben. Nicht jedes Rad muss neu erfunden werden. Stellt Routinen aber auch in Frage, sucht nach sinnvollen Alternativen, bleibt unbequem.

Wir vom Schloss Hagerhof wünschen euch alles Gute auf eurem weiteren Weg!