Geschafft: 35 Schüler:innen haben den Realschulabschluss in der Tasche

Hoffen wir, dass es nicht zur Gewohnheit wird, auch in diesem Jahr verabschieden wir ein weiteres Mal eine „Generation Corona“ von unserer Schule. Den Anfang machten am Freitag die Realschüler:innen, die sich für den großen Tag herausgeputzt hatten: lange und kurze Kleider, Glitzer und Scherpe, Fliege und Manschettenknöpfe – alle sahen fein aus.

Alle 35 Schüler:innen haben den Mittleren Schulabschluss erreicht.

35 Absolvent:innen versammelten sich im Beisein ihrer Eltern in unserer Turnhalle, die in Hagerhof-Farben geschmückt war. Für einen festlichen Rahmen sorgten, wie so oft, die Schüler:innen unserer Musik- und Musicalschule. Laura Stergel, begleitet von Gerhard Preuten am Klavier, machte mit ihrer Violine den Auftakt. In der anschließenden Rede zeigte sich Schulleiter Dr. Sven Neufert stolz auf die Leistungen: alle 35 Schüler:innen haben den Mittleren Schulabschluss erreicht, 25 davon die Qualifikation für die gymnasiale Oberstufe. 14 Absolvent:innen haben eine Eins vor dem Komma, 16 Jugendliche werden dem Hagerhof erhalten bleiben. Hier darf vor allem auch die enorme Leistung von Roulin Omar nicht unerwähnt bleiben. Die gebürtige Syrerin kam in der 7. Klasse an den Hagerhof und sprach nicht ein einziges Wort Deutsch. Mit einem Durchschnitt von 1,5 machte sie jetzt den viertbesten Abschluss des Jahrgangs.

Dr. Sven Neufert macht den Absolvent:innen Mut für die Zukunft.

In seiner Rede macht er den Schüler:innen Mut, auch in Pandemie-Zeiten den Glauben an die Zukunft nicht zu verlieren: „Ich wünsche Euch, egal ob ihr jetzt in eine Ausbildung geht oder weiterhin die Schule besucht, dass ihr stark und optimistisch bleibt.“  (Die vollständige Rede von Dr. Sven Neufert im Anschluss.)

Laura Stergel und Gerhard Preuten machten den Anfang der Veranstaltung.

Stimmgewaltig zeigten sich zwischen den Reden Ronja Hähr, die aus dem Musical „Mean Girls“ sang, Petra Frisch, die „Let it go“ von Idina Menzel vortrug und Sarah Hoffmann mit „Schwesterherz“. Antonia Gutermuth und Elias Rehm erinnerten sich an die vergangenen Jahre auf der Realschule. An Klassenfahrten nach Langeoog, Floßfahrten auf gefährlichen Gewässern und gemeinsames Skifahren. „Alle diese kleinen Erinnerungen machen uns heute aus.“

Alle drei stimmgewaltig: Ronja Hähr, Petra Frisch und Sarah Hoffmann (v.l.)

Das findet auch Kelubia Ekoemeye, der mit seinen Worten die Zeit von der fünften bis zur 10. Klasse aus Sicht des Klassenlehrers beschreibt: „Wie ein wundervolles Kunstwerk sehen eure Entwicklungen heute aus.“  Die ein oder andere Anekdote lässt so manchen Zuhörer im Publikum schmunzeln – weiß man doch meistens sehr genau, wie es den eigenen Kindern ergangen ist. Sein Fazit: „Und denkt immer daran: Das Leben ist kein Hagerhof!“

Seine Rede sorgte für so einiges Schmunzeln: Klassenlehrer Kelubia Ekoemeye.

In der Rede der Eltern schaute Simon Rehm auf die vergangenen Jahre zurück, Timo Gutermuth wagte für die Absolvent:innen einen Blick in die Zukunft. Dessen Tochter rührte einige Zuschauer am Ende zu Tränen, als sie „When we were young“ von Adele am Klavier präsentierte. Trotz Pandemie – es war ein toller Abschluss.

Wir gratulieren unseren Realschulabsolvent:innen:

Mehreen Anders, Lars Auen, Maximilian Bartels, Marco Basten, Julia Baumgarten, Helena Brandkamp, Johannes Brinkmann, Nafissatou Diaw, Isabel Kim Dill, Joelle Feiden, Tabea Fuchs, Marvin Gallon, Paula Gemmer, Antonia Leni Gutermuth, Lorenz Hemminghaus, Julia Hoffmann, Hagen Wilhelm Kätelhut (1,4), Björn Kramer, Janne Wigand Leon (1,2), Lasse Linden, Jacob Lindenthal, Gina Lorbetzki, Ousmane Ndiaye, Roulin Omar (1,5), Vivien Petschik, Henry Ploemacher, Elias Leopold Rehm (1,2), Adrian Reupke, Moritz van Sambeck, Tobias Schlösser, Fynn Schmitz, Leonie Schneider, Julia Schreiber, Lionarth Schwarz, Lena Trippen.

Unsere herzlichsten Glückwünsche an euch alle – wir wünschen euch für die Zukunft alles Gute!

Rührte mit ihrem Vortrag zu Tränen: Antonia Gutermuth.

Hier die gesamte Rede unseres Schulleiters Dr. Sven Neufert:

„Am 5. August 2018 machten meine Frau und ich eine Tour mit dem Taxi durch das südliche Bali. Auf Bali kann man sich für kleines Geld ein Taxi inklusive Fahrer mieten. Der Taxi-Fahrer ist dann gleichzeitig Tour-Guide.

Wir hatten großes Glück mit unserem Taxifahrer. Er vermied weitgehend die Kaffeefahrten-Stopps, bei denen Touristen systematisch abgezogen werden, wusste viel über den Hinduismus, die Bestattungsriten und die Kunst der Bonsai-Pflege zu sagen. Das war sein großer Traum: Sich selbständig machen mit einer Bonsai-Farm. Damit könne man mehr Geld verdienen und er könne dann mehr bei seiner Familie sein als beim Taxi-Fahren.

Verschwitzt, ziemlich platt, aber berauscht von den vielen neuen Eindrücken trafen meine Frau und ich gegen 19 Uhr wieder in unserem Hotel ein; ich drehte eine kleine Runde durch den Swimming Pool, ging dann duschen und legte mich kurz aufs Bett. Ich freute mich auf die hervorragende balinesische Küche. Der Tag hatte mich hungrig gemacht.

Plötzlich hatte ich den Eindruck betrunken zu sein. Ich verlor Gleichgewicht und Orientierung, geriet instinktiv in Panik, sprang auf und schrie zu meiner Frau, die sich noch im Badezimmer befand: „Raus! Sofort raus!“ Im Innenhof der Hotelanlage stand ein etwa 5 mal 20 Meter großer Swimming Pool, aus dem das Wasser schwappte, als handle es sich um einen kleinen Kübel, den jemand hin und her schwenke. Die Erde bebte am 5. August 2018 um 19:46 Ortszeit mit einer Stärke von 7,0 auf der Richterskala. Das Epizentrum war auf der Nachbarinsel Lombok. Im Zuge des Erdbebens starben über 500 Menschen, vor allem auf der Nachbarinsel; Sachschäden von mehr als 500 Millionen Euro entstanden an Gebäuden auf Bali und Lombok.

Nach dem Erdbeben von 2004 im Indischen Ozean und 2011 in Japan, denen jeweils mit verheerender Wirkung ein Tsunami folgte, waren wir äußerst beunruhigt, zogen uns nach Abebben des Bebens schnell an und flüchteten mit ein paar europäischen Touristen in Richtung des Night Markets, der am einzigen höheren und massiven Gebäude der Umgebung lag; unser Ort befand sich auf einer absolut flachen Halbinsel im Süden Balis, Kuta. Die US-Amerikaner in unserem Hotel ließen sich übrigens als einzige überhaupt nicht beirren und schauten einfach weiter auf ihren Zimmern Fernsehen. Hier zeigt sich vielleicht ein besonders lebensbejahender Optimismus, den man den US-Amerikanern ja gerne nachsagt.

Es blieb in dieser Nacht bei dem Beben; ein Tsunami folgte nicht. Indonesien hatte 2004 nach dem großen Erdbeben, dem ein verheerender Tsunami gefolgt war, mit deutscher finanzieller Hilfe ein Tsunami-Frühwarn-System aufgebaut. Die Bundesregierung gab 55 Millionen Euro für die Entwicklung und den Aufbau dieses Systems aus. Das Lagezentrum des Frühwarnsystems in Jakarta wurde mit Hilfe deutscher Berater eingerichtet, es ist rund um die Uhr an 7 Tagen mit einem Expertenteam besetzt und informiert minutenschnell auf verschiedenen Social-Media-Kanälen.

Dass an diesem Abend nur ein paar Europäer angsterfüllt Schutz vor „der Welle“ suchten, die Einheimischen zumindest auf Bali – auf Lombok sah es anders aus! – aber ziemlich gelassen blieben, lag einfach daran, dass sie schnell ihr Handy gezückt hatten, um Echtzeitinformationen über die Situation zu bekommen. Sie wussten schon, dass es kein ozeanisches Epizentrum gab und somit auch keine Welle. Das Hotelpersonal erläuterte uns zudem, dass sich sonst auch alle Tiere ganz anders verhalten hätten.

Am 11. März 2020 erklärte die Weltgesundheitsorganisation die Covid-19-Epidemie zur Pandemie. Zwei Tage später sendete ich Ihnen eine Elterninformation, dass die Schule ab dem 16. März vorerst bis zu den Osterferien geschlossen werde. 13 Monate später sind beinahe 180 Millionen Infektionen mit dem Corona-Virus bestätigt und mehr als 3,8 Millionen Menschen im Zusammenhang mit diesem Virus gestorben. Davon allein jeweils mehr als eine halbe Million Menschen in den USA und Brasilien.

Am 13. März 2020 verzeichnete die WHO 41, am 4. April 60, am 13. August 167 und am 11. November 234 Impfstoffe in der Entwicklung. Am 16. März 2020 wurde erstmals ein SARS-CoV-2-Impfstoff (namens mRNA-1273) an 45 Menschen getestet. Elf Impfstoffe sind mittlerweile in Anwendung. Ein Drittel der deutschen Bevölkerung ist mittlerweile vollständig geimpft, die Hälfte mindestens einmal.

Noch bis weit in den Herbst vorigen Jahres waren die meisten Bekannten und Freunde von mir, die über ein gewisses biologisches und medizinisches Fachwissen verfügen, sehr skeptisch, ob ein überzeugender Impfstoff bereits im Sommer oder Herbst 2021 vorhanden sein könnte.

Sowohl das Erdbeben von 2018, das eher von begrenzter Bedeutung blieb, wie auch die globale Pandemie seit Beginn des Jahres 2020 zeigen mindestens zweierlei:

  1. Die Welt, in der wir leben und auch ihr lebt, liebe Absolventinnen und Absolventen, ist und bleibt unsicher.
  2. Wenn wir als Menschen herausgefordert werden, können wir innerhalb kurzer Zeit Großes leisten und über uns hinauswachsen.

Ich wünsche Euch, egal ob ihr jetzt in eine Ausbildung geht oder weiterhin die Schule besucht, dass ihr stark und optimistisch bleibt.

Für Montessori in ihrem Erdkinderplan ist klar, dass stark nicht diejenigen sind, die ohne nach links und rechts zu schauen stur ihren Weg gehen, sondern diejenigen, die neue Anforderungen ihrer Umwelt bewerten und sich auf sie einstellen können. Das könnt ihr nur, wenn ihr Euer eigenes Denken nicht ausschaltet und es schafft, Euch selbst aus eigener Kraft zu organisieren. Nur dann gelingt es jedem von Euch auch in seinem Bereich, also dem, wofür sie oder er innerlich wirklich brennt, Gutes zu erreichen.

Eure Leistungen jedenfalls in diesem Jahrgang waren spitze: Alle 35 Schüler:innen Eures Jahrgangs haben den Mittleren Schulabschluss erreicht, 25 zugleich die Qualifikation für den Besuch der gymnasialen Oberstufe, also mehr als 2/3. 14 Schüler:innen haben einen Abschluss mit einer Eins vor dem Komma.

Herzlichen Glückwünsch zu dieser großartigen Leistung!

Klar: Nicht jeder von Euch wird jetzt nach dem Realschulabschluss direkt ein Tsunami-Frühwarnsystem oder einen neuen Impfstoff entwickeln, aber ich bin davon überzeugt: So wie ihr Euch jetzt flexibel in unterschiedlichsten Lern-Settings (Distanz, Präsenz, Hybrid) mit großem Erfolg den Herausforderungen der Mittleren Reife gestellt habt, werdet ihr auch in Zukunft lernfähig sein und Euren eigenen Weg gehen.

Unsere individuelle Gefahrenbewertung im Hotel auf Bali ließ nicht zu, in Ruhe fernzusehen – die US-Amerikaner schauten wohlgemerkt weiterhin ihr amerikanisches Fernsehen und keine indonesischen Erdbeben-News. Auch auf die Auskunft an der Rezeption, die Tiere seien nicht nervös und wir sollten ruhig wieder auf das Zimmer zurückkehren, wollten wir uns nicht verlassen, sondern handelten selbst so, wie wir es in dem Moment für richtig hielten. Erleichternd war dann, auf dem Night Market zu erfahren, dass viele kluge Menschen aus Indonesien und Deutschland Jahre vor uns darüber nachgedacht hatten, wie eine solche Situation entschärft werden könnte.

So kam ich an diesem Abend im August 2018 doch noch zu meinem verdienten Kare Tahu und den Sate-Spießen.

Was immer die Zukunft uns bringen mag:

Wir von Schloss Hagerhof wünschen Euch alles erdenklich Gute und stets die Kraft, in jeder Situation selbstbestimmt das für Euch Beste zu tun!“

Warfen einen Blick in die Vergangenheit: Elias Rehm und Antonia Gutermuth.